Ab dem 01. Juli 2021 können Ärzte ihren Patienten Verordnungen digital ausstellen. Verpflichtend ist die Nutzung des E-Rezepts dann ab Januar 2022 für verschreibungspflichtige Medikamente. Im letzten Beitrag haben wir bereits die Funktionsweise des E-Rezept erklärt.
Da aber zunächst nur die Apotheken an die Telematikinfrastruktur angebunden werden, befürchten andere Leistungserbringer, wie zum Beispiel Sanitätshäuser und Homecare-Betriebe oder Sanitätshäuser, wegen der verzögerten Anbindung Wettbewerbsnachteile und andere Probleme. Für sie sind viele Fragen noch offen.
Vertretungsregelung für das E-Rezept ist noch ungeklärt
Die erste Problematik befürchten andere Leistungserbringer, wenn es um eine Vertretungsregelung für das E-Rezept geht. Derzeit fordern viele Hilfsmittel-Versorger die Rezepte ihrer zu versorgenden Patienten in den Arztpraxen an. Die Arztpraxen stellen die Verordnungen aus und faxen sie meist vorzeitig an den Versorger, damit dieser die Rezepte prüfen und die Versorgung einleiten kann.
Der neue Prozess für das E-Rezept sieht das bisher jedoch nicht vor. Hier ist der Empfänger primär immer der Patient, der den Rezeptcode digital oder ausgedruckt an den Versorger weiterleiten muss. Was aber, wenn der Patient gesundheitlich nicht mehr in der Lage ist, das Rezept in Empfang zu nehmen oder weiterzuleiten? Kann sich der Hilfsmittel-Leistungserbringer beim Arzt mit einer Einwilligung des Patienten bzw. dessen Stellvertreter autorisieren lassen und dann im Namen des Versicherten den Code erhalten? Bis jetzt sind diese Fragen für die anderen Leistungserbringer offen. Das Gleiche gilt für die Infrastruktur rund um die Verarbeitung des E-Rezepts. Für Apotheken ist dies durch die Spezifikationen der Gematik schon deutlich klarer geworden.
Andere Leistungserbringer fürchten Wettbewerbsverzerrungen
Bisher ist in den Spezifikationen der Gematik hauptsächlich von einer „Übermittlung von ärztlichen und zahnärztlichen Verordnungen für apothekenpflichtige Arzneimittel" die Rede. Aber auch andere Leistungserbringer, wie zum Beispiel Homecare-Unternehmen oder Sanitätshäuser, müssen die Möglichkeit bekommen, elektronische Rezepte zu empfangen und abzurechnen. Die Fachanwendung E-Rezept soll demnach um weitere Rezepttypen, wie Heilmittel-, Hilfsmittel-, T-Rezepte oder BtM-Rezepte, erweiterbar sein. Genaue Angaben zur Umsetzung und Anbindung dieser anderen Leistungserbringer an die Telematikinfrastruktur gibt es noch nicht. Im DVG, dem Digitale-Versorgung-Gesetz, ist lediglich festgeschrieben, dass die Regelungen für die Anbindung bis Ende des Jahres 2020 geklärt werden sollen.
Die Anbindung anderer Leistungserbringer ist jedoch dringend erforderlich, auch um die Wettbewerbsgleichheit mit den Apotheken zu gewährleisten. Um Wettbewerbsverzerrungen auszuschließen, ist das E-Rezept bis zum Anschluss der anderen Leistungserbringer zwar auf apothekenpflichtige Arzneimittel begrenzt, jedoch löst das die Problematik nicht vollständig. Einige Produkte, wie zum Beispiel Verbandmittel oder Diäten zur enteralen oder sogar parenteralen Ernährung, sind im Abrechnungssinne des § 300 SGB Arzneimittel. Meist werden diese nicht nur von Apotheken zur Verfügung gestellt, sondern oft versorgen direkt die Homecare-Unternehmen ihre Patienten.Diese Bereiche der Versorgung könnten von den Apotheken übernommen werden, solange die anderen Leistungserbringer nicht die Möglichkeit haben, elektronische Rezepte anzunehmen.
Heilberufsausweis auch für Sanitätshäuser?
Die Apotheken werden zeitnah mit dem sogenannten elektronischen Heilberufsausweis ausgestattet, der sie für den Zugriff auf die Telematikinfrastruktur akkreditiert. Der BVMed ist deswegen dafür, elektronische Heilberufsausweise auch an Hilfsmittel-Leistungserbringer und Homecare-Unternehmen auszugeben. Zusätzlich dazu setzt der Verband sich für die Möglichkeit ein, dass Homecare-Unternehmen sich als Institution akkreditieren lassen können, um auf diesem Weg den Empfang digitaler Verordnungen zu gewährleisten.
Die Ausgabe der Heilberufsausweise obliegt den Kammern der Ärzte und Apothekern. Solche Kammern gibt es für Hilfsmittel- und sonstige Leistungserbringer jedoch nicht. Entweder müssten andere Organisationen diese Rolle übernehmen oder diese Leistungserbringer erhalten keinen vollwertigen Heilberufsausweis.
Stattdessen könnten sie einen eingeschränkten elektronischen Berufsausweis (eBA) oder einen sog. Institutionsausweis (SMC-B) erhalten. Hier könnten die Leistungserbringer keine Daten ändern, wie zum Beispiel Versicherten-Stammdaten und ihre Zugriffsberechtigung wäre eingeschränkt. Zumindest wäre aber gewährleistet, dass sie das E-Rezept damit empfangen und abrufen können.
Auswirkungen des E-Rezepts sind nicht zu unterschätzen
Das E-Rezept hat das Potenzial, die Apotheken massiv zu stützen und ihnen den Markteinstieg in lukrative Teile der Hilfsmittelversorgung, wie zum Beispiel die klinischen Ernährungstherapien, zu ermöglichen.
Für Hilfsmittel-Versorger ist vieles noch offen. Daher ist ein starkes Engagement der Vereine und Verbände notwendig, damit der Anschluss an das E-Rezept und all den damit verbundenen Änderungen nicht verpasst wird. Bis zum 30. Juni 2021 sollen nun die technischen Komponenten rund um das E-Rezept bereitgestellt werden, sodass das E-Rezept dann ab Juli 2021 bundesweit verfügbar ist – zunächst einmal für die Apotheken. Ab dem 1. Januar 2022 muss das E-Rezept verpflichtend von allen an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzten und Zahnärzten für die Verordnung verschreibungspflichtiger Arzneimittel zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung genutzt werden.
Damit ist das E-Rezept keine ferne Zukunft mehr. Es ist ein absolut absehbarer technologischer Schritt, dessen Auswirkungen nicht zu unterschätzen sind.
Die Grundlagen, dass auch der Hilfsmittelbereich integriert wird, sind durch das Digitale-Versorgung-Gesetz gelegt worden. Doch dazu müssen die Hilfsmittel-Leistungserbringer in die Telematikinfrastruktur eingebunden werden.
Noch ist es nicht so weit. Vorreiter sind die Apotheken mit Arzneimittel-Rezepten. Doch der Blick über den Tellerrand ist wichtig, um auch künftige Lösungen für die Sanitätshäuser sehen zu können.
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